Von der Bücherbibliothek zur Nutzerbibliothek: Das Beispiel der LMU

Brintzinger, Klaus-Rainer

Die Universitätsbibliothek München war vor dem zweiten Weltkrieg die größte deutsche Universitätsbibliothek. In den Bombennächten der Jahre 1943/44 wurde die Bibliothek vollständig zerstört und ihre Weiterexistenz war fraglich. Noch über 20 Jahre nach Ende des Kriegs hauste die Universitätsbibliothek in Ruinen und Provisorien; erst 1967 wurde wieder eine Zentralbibliothek eröffnet, deren Kernstück ein großes Magazin hinter einer rekonstruierten historischen Front bildete. Für die Nutzer waren lediglich zwei an übergroße Klassenzimmer erinnernde Lesesäle vorgesehen.

In der Zwischenzeit waren jedoch zahlreiche neue Instituts-, Seminar- und Lehrstuhlbibliotheken entstanden, häufig in den Wohnzimmern ehemaliger Wohngebäude. Seit Mitte der achtziger Jahre war es der Universitätsbibliothek gelungen, durch eine Reihe von Neu- und Umbaumaßnahmen Institutsbibliotheken in neue Fachbibliotheken unter Verwaltung der Universitätsbibliothek zu integrieren. Tragender Impuls war dabei das Bestreben der Universität, durch Zusammenlegen der Bücherbestände der großen Raumnot Herr zu werden. Die Bibliotheken wurden so bemessen, dass sie den - nur grob um Dubletten bereinigten - Bestand aller zu integrierenden Institutsbibliotheken fassen konnten. Wo der Platz nicht reichte, wurden die Regale bis zur Decke gezogen und noch Kellerräume genutzt. Nutzer-Arbeitsplätze und Leseplätze waren dagegen eher zweitrangig. Für die Studierenden der größten deutschen und notorisch überfüllten Universität war in den Bibliotheken kaum Platz. Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde die ansonsten baulich sehr gelungene Fachbibliothek für Theologie und Philosophie für einen Bestand von über 300.000 Bänden, aber lediglich 169 Arbeitsplätzen konzipiert.

Vor einem halben Jahrzehnt hatte die Bibliothek die Grundsatzentscheidung getroffen, der Aufenthaltsqualität bei Neu- und Umbauten die erste Priorität einzuräumen und die bisher dominierende Bestandsorientierung aufzugeben.

 

Der Vortrag zeigt dies an drei Projekten, die in diesem Zeitraum umgesetzt werden konnten:

 

1) Dem Umbau der Medizinischen Lesehalle, die sich von einer mit Büchern und Zeitschriften vollgestopften medizinischen Zentralbibliothek in dem denkmalgeschützten ehemaligen Galeriegebäude aus dem Jugendstil zu einer ästhetischen "library as a place" im besten Sinne gewandelt hat;

 

2) der Zusammenlegung von drei geologischen und geographischen Institutsbibliotheken zu einer neuen Fachbibliothek. Beim Umbau in dem Bestandsgebäude konnten über 200 Arbeitsplätze und zusätzliche Gruppenarbeitsräume geschaffen werden. Spektakulär ist dabei das "Penthouse" - ein Gruppenarbeitsraum im obersten Stockwerk mit Blick auf die Alpen, der auch einen Ort der Begegnung darstellt;