Wissensmanagement im Bibliothekswesen und Bibliothekswesen im Wissensmanagement - Eine Analyse von deutschsprachigen Hochschulausbildungen

Zeiller, Michael; Geyer-Hayden, Barbara

Bibliothekswesen und Wissensmanagement sind eng verwandte Disziplinen. Das zeigt sich nicht nur in der Praxis, sondern manifestiert sich auch in den Ausbildungsprogrammen an Hochschulen. Im Zentrum der Untersuchung stehen daher die Fragen: Wie viel Wissensmanagement steckt im Bibliothekswesen? Wie viel Bibliothekswesen ist im Wissensmanagement enthalten? Diese Fragen werden anhand von ausgewählten Ausbildungsprogrammen an deutschsprachigen Hochschulen für diese verwandten Disziplinen beantwortet. Es wird untersucht, ob die Curricula von Bachelor- und Masterstudiengängen Ausbildungsinhalte aus dem jeweilig anderen Fachgebiet enthalten.

Bibliothekar_innen und Wissensmanager_innen leisten Informationsarbeit. Informationsarbeit umfasst, was Informationsspezialisten leisten, um Wissenstransfer zu ermöglichen. Dazu gehört v.a. die Beschaffung, Auswahl, Erschließung, Speicherung, Vermittlung von Dokumenten und die Information über Dokumente aller Art. Dieses Berufsfeld und die Ausbildung für dieses Berufsfeld haben in den letzten Jahren einen starken Wandel erfahren, was sich insbesondere in den zentralen Funktionsbereichen der Bibliothekar_innen und Wissensmanager_innen zeigt.

Auch wenn sich die beiden Disziplinen unterschiedlich entwickelt haben und wesentliche Unterschiede aufweisen, gibt es große inhaltliche Überschneidungen. Diese zeigen sich u.a. in den Ausbildungsprogrammen. Im Vergleich zum Bibliothekswesen ist das Wissensmanagement eine junge Disziplin, die erst seit etwa 1990 an Hochschulen gelehrt wird. Den ersten Lehrstuhl in den Bibliothekswissenschaften gab es hingegen bereits 1886. Im Bibliothekswesen haben sich konkrete Berufsfelder mit klar definierten Kompetenzprofilen entwickelt. Wissensmanager_innen sind hingegen in vielfältigen Positionen und Aufgabenfeldern tätig und haben weniger klar definierte Kompetenzprofile, aber auch weniger abgegrenzte Ausbildungswege.

Analyse

16 Studienprogramme aus dem Bibliothekswesen und 9 Studienprogramme aus dem Wissensmanagement wurden mit einer Inhaltsanalyse der Curricula untersucht.

Bibliothekswesen: 9 Bachelor- und 7 Masterstudien, davon 2 Studien aus Österreich, 12 Studien aus Deutschland und 2 Studien aus der Schweiz

Wissensmanagement: 1 Bachelor- und 8 Masterstudien, davon 3 Studien aus Österreich, 2 Studien aus Deutschland und 2 Studien aus der Schweiz; ergänzt um je ein Hochschulstudium aus den Niederlanden und dem United Kingdom.

Stellvertretend werden exemplarische Ergebnisse aus der Analyse von Wissensmanagement-Studiengängen nach bibliothekswissenschaftlichen Studieninhalten vorgestellt. Die Kategorienbildung der Inhaltsanalyse für die Erhebung der Studieninhalte erfolgte induktiv nach den Lehrinhalten, die in den bibliothekswissenschaftlichen Studiengängen identifiziert wurden.

Kategorien Suche & Recherche: Am häufigsten vertreten sind Nennungen zu Recherche (7), Retrieval (6) und Suche (4).

Kategorie Bestandsmanagement: Inhalte aus dem Content Management sind mit 9 Nennungen vertreten, Bestandsmanagement im engeren Sinn zweifach und Bestände einmalig.

In den neun Wissensmanagement-Studiengängen konnten insgesamt 27 inhaltliche Übereinstimmungen in „klassischen“ Themen aus den Bibliothekswissenschaften, wie Bestandsmanagement, Dokumentation, Erschließung und Archivierung identifiziert werden.

Es zeigt sich, dass eine signifikante Anzahl von Inhalten aus den Bibliothekswissenschaften in Wissensmanagement-Studiengängen zu finden sind. Im Vergleich zu Studieninhalten, die dem Informationsmanagement zuzuordnen sind (wie z.B. Webtechnologien, Social Media), oder Managementthemen sind die bibliothekswissenschaftlichen Lehrinhalte zwar wesentlich weniger stark ausgeprägt, aber sie nehmen in den Curricula eine prominente Rolle ein.