Von Bücherfässern und Zentnerhaufen. Die Einverleibung der unter Joseph II. aufgehobenen Klosterbibliotheken in die UB Graz

Fiedler, Pia

Die Ära Joseph II. hat die österreichische Bibliothekslandschaft nachhaltig geprägt. Während seiner Regierungszeit wurden in der Habsburgermonarchie über 700 Klöster aufgehoben. Im Zuge dessen wurden auch die Klosterbibliotheken zerschlagen und ihre Bestände zerstreut. Viele Bücher wurden verkauft oder versteigert, manche zerstört. Ein wesentlicher Teil ging an die lokalen wissenschaftlichen Einrichtungen. In der Steiermark profitierte davon die (heutige) Universitätsbibliothek Graz, deren Handschriftensammlung sich beispielsweise zu einem großen Teil aus den Beständen der ehemaligen Klosterbibliotheken zusammensetzt.

Obwohl die josephinischen Klosteraufhebungen für viele österreichische Bibliotheken eine Zäsur darstellen, sind sie bibliotheksgeschichtlich kaum erforscht. So ist für das Gebiet der heutigen Steiermark noch nicht einmal zweifelsfrei geklärt, welche Bibliotheken Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt zerschlagen wurden, geschweige denn, was mit ihren Beständen passiert ist. Auf Quellenmangel lässt sich dieses Forschungsdesiderat nicht zurückführen. Viele der Unterlagen der Klosteraufhebungskommissionen sind erhalten, ebenso wie vereinzelte Bibliothekskataloge oder Übernahmeprotokolle.

Für die Bestände der innerösterreichischen Klöster steht zusätzlich eine in Österreich einzigartige Quelle zur Verfügung: der Revisionsbericht Joseph Jüstels. Der Professor für Moraltheologie wurde gut 10 Jahre nach den ersten Klosteraufhebungen mit der Revision der Grazer Bibliothek beauftragt. Sein Bericht gibt ebenso Aufschluss über die Bibliotheksorganisation Ende des 18. Jahrhunderts, wie über den Prozess der Einverleibung der Klosterbibliotheken in die lokalen wissenschaftlichen Einrichtungen und liefert beispiellose zeitgenössische Einblicke in diesen Schlüsselmoment der Bestandsgeschichte der Universitätsbibliothek Graz.