Provenienzforschung in der Bibliothek des Bundesdenkmalamts

Düren, Justus

Im Zuge der Provenienzforschung, welche mit dem Kunstrückgabegesetz 1998 einsetzte, wurden auch die Bestände großer österreichischer Bibliotheken auf NS-Raubgut untersucht. Die aus den Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse zum Raub und Entzug hunderter Bibliotheken und tausender Bücher dienen heute als Forschungsgrundlage für weitere Provenienzforschung an österreichischen, aber auch deutschen Bibliotheken. Einer dieser Fälle war Anlass für die Teilautopsie der Buchbestände des Bundesdenkmalamts, welche 2015 von der Kommission für Provenienzforschung ein Jahr lang durchgeführt wurde. Die amtsinterne Bibliothek, welche 1853 angelegt wurde, umfasst heute ca. 70.000 Druckschriften und dient in einer Freihandaufstellung in fast 40 Räumen des Bundesdenkmalamts den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Forschung. Durch die Autopsie und Erfassung eines Teilbestandes der Bibliothek konnten nicht nur die Bibliotheksgeschichte rekonstruiert werden, welche bislang noch nicht erforscht ist, sondern auch festgestellt werden, dass sich der Bestand in den Jahren 1938 bis 1945 mehr als verdoppelte. Im besonderen Fokus der Provenienzforschung stehen diese ca. 2.000 Bände, welche in der Zeit des Nationalsozialismus Zugang in die Bibliothek fanden, sowie später inventarisierte Altbestände, Nachkriegsankäufe und die eingegliederte Bibliothek von Walter Frodl, welcher während des Zweiten Weltkrieges Denkmalschutzbeauftragter für die „Operationszone Adriatisches Küstenland“ verantwortlich war.

Neben hunderten Vorbesitzerhinweisen, konnten auch Bücher mit dem Stempel Erich Biens ausfindig gemacht werden, welche schon Teil von Beschlüssen des Kunstrückgabebeirates war. Weiters wurden Teile der Bibliotheken des Wiener Spediteurs Emil Karpeles-Schenker und des Unternehmers Oscar Bondy gefunden, welche durch den Abgleich von Inventarlisten des Entzugs und Restitutionslisten aus den Nachkriegsjahren eindeutig identifiziert werden konnten. In beiden Fällen wurden Großteile der entzogenen Bibliothek schon 1948 und 1950 an die rechtmäßigen Eigentümer übergeben, jedoch blieben einige Bände zurück. Die Bücher der Bibliothek Karpeles-Schenkers konnten durch sein Exlibris und den Listenabgleich zugeordnet werden. Bei den Büchern Bondys half nur ein Abgleich mit einem 2cm im Durchmesser großen Etikett und der Inventarlisten, da nur das kreisrund beschädigte vordere Vorsatzblatt, auf welchem das Etikett ursprünglich geklebt war, Aufschluss über die Zugehörigkeit der Bände gab.

Die von Oktober 2015 bis September 2016 durchgeführte Autopsie und Provenienzforschung in der Bibliothek des Bundesdenkmalamts konnte bislang nicht nur bei der Auffindung von in der NS-Zeit geraubten Bibliotheken und Büchern, sondern auch zu ihrer bisher nicht erforschten 160jährigen Geschichte beitragen.